Wo ist Tirol? - eine Spurensuche zum Jubiläumsjahr 2009

Eine Aktion der Vereine von Oberwielenbach zum Tiroler Gedenkjahr 1809 - 2009
Unsere Flurnamen
Schützenkompanie Oberwielenbach Bereits in der Planung zum Tiroler Gedenkjahr wurde im Ausschuss der Schützenkompanie Oberwielenbach der Vorschlag aufgeworfen, die Flurnamen von Oberwielenbach und Platten zu sammeln. Die Schriftführerin der Kompanie und spätere Projektleiterin Claudia Antenhofer hatte bereits einen Workshop zu diesem Thema besucht. Ziel sollte es sein, einen nachhaltigen Beitrag zu leisten, um dem zunehmenden Vergessen teils über Generationen überlieferter Namen und Bezeichnungen Vorschub zu leisten und schon fast verschwundene Namen wieder in das Gedächtnis der Bevölkerung zurückzurufen. Die gesammelten Daten sollten dann auch dem Südtiroler Landesarchiv zur Weiterverarbeitung zur Verfügung gestellt werden.
Ein von der Kompanie zusammengestelltes Team, in dem auch Nicht-Schützen vertreten waren, machte sich dann im Gedenkjahr 2009 an die sehr aufwendige Arbeit. Über 600 Namen wurden erfasst und katalogisiert. Die gesammelten Informationen wurden der Bevölkerung vorerst über Internet zur Verfügung gestellt.
Schließlich am Samstag, den 28. März, stellte die Kompanie die Flurnamen-Sammlung der Bevölkerung vor.
fluri.09 - www.oberwielenbach.info/fluri

Detaillierte Informationen zum Projekt und natürlich alle gesammelten Namen können im Internet eingesehen werden.

Logo
Logo
"fluri.09", das Logo des Internetauftritts

Die Projektvorstellung

Hauptmann Alois Schneider konnte zahlreiche Oberwielenbacher und Oberwielenbacherinnen an diesem Abend begrüßen, darunter auch den Bürgermeister Joachim Reinalter, dessen Stellvertreter Paul Steiner, den Referenten für Bildung und Kultur Josef Urthaler, andere Gemeinderäte der Gemeinde Percha sowie verschiedene Vereinsvertreter.

Als Einleitung gaben unsere Jungschützen Georg und Maria zusammen mit dem Gastschauspieler "Schorsch" ein kurzes Theaterstück zum Besten, welches von Peter Paul Niederwolfsgruber verfasst wurde und sehr amüsant in das Thema einführte. Der Text des Stückes kann über folgenden Verweis angesehen werden: Wenn man's la wissat ...

Unsere drei Schauspieler im Bild.
Maria will dem Touristen erklären, wo es lang gehen soll.
Ein Ausschnitt: Markierung von Flurnamen.

Die Projektleiterin Claudia Antenhofer moderierte den weiteren Abend: Sie ging kurz auf die Siedlungsgeschichte unserer Heimat und speziell von Oberwielenbach und Platten ein. Anschließend erklärte sie dem Publikum alles zum Thema Namen und Flurnamen. Dazu ist unten eine ausführliche Abhandlung angeführt.
Ingemar Gräber gab kurz einige Informationen zum Theresianischen Kataster und dem Entstehen der Katasterkartografie. Zum Schluss stellte Martin Schneider zusammen mit Claudia kurz die Internetseite fluri.09 vor, über die die Bevölkerung Einsicht in die gesammelten Namen inkl. den zusätzlichen Informationen nehmen kann.
Claudia betonte, dass das Flurnamenprojekt als lebendiges Projekt zu verstehen ist: mit Sicherheit werden noch zusätzliche Namen hinzukommen und Anpassungen vorgenommen werden.

Hauptmann Alois Schneider beendete schließlich den offiziellen Teil des Abends. Er bedankte sich beim gesamten Fluri-Team und überreichte noch einen Blumenstrauß an die Projektleiterin Claudia.

Ingemar sprach kurz über den Theresianischen Kataster.
Hauptmann Alois Schneider bedankt sich bei Projektleiterin Claudia Antenhofer für ihre Arbeit.
... geschafft! Jetzt kommen wieder ruhigere Zeiten. Hoffentlich :-)

Siedlungsgeschichte Tiroler Raum

Schrift, dauerhafte Aufzeichnungen entstehen erst mit der Sesshaftigkeit. Viele der Siedler hatten noch keine Schrift oder hatten keine Verwaltung und brauchten deshalb keine Schrifttradition. Schrift entsteht immer aus zwei Wurzeln:

  • Verwaltungsschrifttum für Aufzeichnungen wie: wie viele Vorräte haben wir? Was verkaufen wir?
  • Religiöse Bedürfnisse: Weiheinschriften, Segens- und Zauberformeln

Für den Alpenraum gibt es bis etwa 800 n. Chr. nur spärliche Schriftquellen:

  • Archäologische Funde
  • vereinzelte Inschriften
  • Berichte der Römer
  • Namen

Der Alpenraum war immer schon multikulturell. Viele Siedler zogen durch, zogen herum, manche ließen sich nieder. Deshalb ist auch die Siedlungsgeschichte hier sehr bewegt und vielfältig:

  • prähistorische Siedler (Ötzi) - was sie sprachen ist nicht klar
  • ca. 4000-1700 v. Chr. - portoligurisch - westlicher Mittelmeerraum
  • ab 2300-1700 v. Chr. - venetisch/illyrisch - Norden, Nordosten, Osten, Südosten
  • ab 800 v. Chr. - rätisch - östlicher Mittelmeerraum
  • ab 500 v. Chr. - Kelten - Norden, Nordwesten
  • ab 15 v. Chr. - Römer/Romanen

Ganz wichtig für den Tiroler Raum ist die Zeit der Völkerwanderung: Alemannen im Westen, Slawen im Osten und die Bajuwaren im Tiroler Raum. Aber die Bayern sind kein Volk, kein Stamm, sondern eine Völkermischung, die sich aus Romanen, Alemannen und verschiedenen Sprachgruppen im Salzburger Raum gebildet hat.
Das Pustertal wurde im 6. Jh. Schauplatz der Auseinandersetzungen zwischen den Bajuwaren, und den Slawen, die von Osten her gegen das Pustertal vordrängten. Im Zuge dieser Kämpfe wurden die letzten romanischen Siedlungen (Aguntum, Sebatum) zerstört. Die Romanen vermischten sich zum Teil mit den Bajuwaren, zum Teil siedelten sie in abgelegenen Tälern.

Typisch für bajuwarische Besiedelung ist

  • die Rodungstätigkeit (Bergwiesen, Almen; Flurnamen wie Brand, Moas oder Ried sind entstanden)
  • das Anerbenrecht (der älteste Sohn erbt den Hof, der Rest geht leer aus)
  • große, prächtige Höfe (vor allem Paarhöfe
  • das Landschaftsbild prägen Einzelhöfe und Streusiedlungen

Sprachforscher schreiben den Bajuwaren insbesondere die Namen auf -ing und auf -heim zu, wobei die Namensbasis germanische Personennamen sind: Issing (Isso), Dietenheim (Theodo), Uttenheim (Utto), Tesselberg (Tassilo), Greinwalden (Grimoald) u.a.


Siedlungsgeschichte Oberwielenbach

Der erste Hinweis zur Urgeschichte unseres Dorfes geht bereits auf das Jahr 715 zurück. Die Forschung nimmt an, dass Oberwielenbach auch zu jenem Gut "Wuolinbach" (=Wielenbach) gehörte, das in der Schenkung des Agilofingerherzogs Theodo an den Papst im Jahre 715 anlässlich einer Romreise genannt wird. Als päpstliches Patrimonium scheint "Wuolinbach" erstmals 865 auf. Dieses Gut kam unter die Verwaltung des Bischofs von Freising und später an die Kirche zu Bamberg. 1545 wird Oberwielenbach als Oblai (=Steuergemeinde) des Gerichtes Altrasen geführt; 1665 scheint es als Nachbarschaft auf; 1817 kam es zum Landgericht Bruneck; 1828 wurde Oberwielenbach der Gemeinde Wielenbach und 1850 der Gemeinde Percha angeschlossen.

Von Wielenbach gibt es in den Urkunden verschiedene Namensformen: Woulinbah, Vuolinpach, Volinpah, Wolinbahch, Wollenbach, Willinbach, Woulinbah, Woulinbach, Wilenpach, Wülenbach. Wuolinbach dürfte einen ziemlich großen Besitz gehabt haben. Unter anderem sind sowohl Brixner und Sonnenburger Besitzungen nachweisbar. Wielenbacher Besitzungen scheinen auch in einem Urbar des Domkapitels von Bamberg auf. Durch Schenkungen und Tausch sind Besitzverhältnisse schnell vergrößert oder verändert worden.


Siedlungsgeschichte Platten

Auf die Fraktion Platten weist die Geschichte sehr spärlich hin. Platten unterstand lange Zeit dem Gericht Altrasen. 1817 kam der Weiler zum Landgericht Bruneck und wurde 1828 mit der Gemeinde Wielenbach vereinigt. Wie Oberwielenbach wurde auch Platten 1850 der Gemeinde Percha angeschlossen.


Namen nichts als Namen

Namen sagen etwas aus über den, der sie trägt: Namen sind wie eine „zweite Haut“.


Was sind Namen? Was unterscheidet sie vom restlichen Wortschatz?

Namen/Onyme ("Wörter"/Appellativa)

  • benennen (bezeichnen)
  • einzigartig (allgemein)
  • ohne Artikel (mit Artikel)
  • Akt der Namengebung (kollektive Übereinkunft)
  • identifizierend, isolierend (verallgemeinernd, bilden Klassen)
  • Emotionen/historisches Wissen (Bedeutung/Sprachwissen)

Was sind geografische Namen? Flurnamen?

Flurnamen sind Teil der Landschaftsnamen - Toponyme

  • im engeren Sinn: Namen der Fluren in den Tal-Lagen (Felder, Äcker, Wiesen, Weiden, usw.)
  • im weiteren Sinn: Namen nicht besiedelter, kleinerer Gebiete im Gelände - Mikrotoponyme (Wälder, Almen, Steine, Wege, Zäune, Kreuze, usw.)
  • Sonderkategorien: Bergnamen, Gewässernamen, Hofnamen, Namen von Weilern und Siedlungen
  • sind in der Regel nur mündlich überliefert (außer historischer Kataster)
  • bilden eine mentale Landkarte

Wie werden Flurnamen gebildet?

Benennungsstrategien
- nach der Lage (Hintofeld, di öbrane Wiese)
- nach dem Besitzer (Wegschuad Ackole, Toulaloach)
- nach der Charakteristik (di noie Troute, Sumpfbichl, Goaßbuggl)
- nach dem Sekundärnamen (die Fuitohaustroute, der Kreizocka)

Art der Namenbildung - Morphologie
- einfache Formen (Brunna, Wuade, Hefe)
- mehrere Wörter (öbo do Schupfe, zwischn die Wege, Dökta Walde Trattile
- Paare oder Gruppen (Öboleite, Mittoleite, Untoleite)
- Einzahl- bzw. Mehrzahlformen (do Ocko, is Taou, die Lecho, di Me(i)so)
- Ableitungsformen (Öboline, Untowenga, Mittoling)
- Wortzusammensetzungen (Tuichplatzl, Leachltroute, Gossafeld, Schworschzwond)

Benennungsmotive - Typologie

Naturnamen (Benennung geht auf die natürlichen Gegebenheiten zurück)
- Allgemeine Ausdehnung (Brondstott, Gepplplotz)
- Form (Fünfe, Hongate)
- Natürliche Begrenzung (Milegge, Maure, Knöschpe)
- Bodenform - Morphologie
-- Bodenerhebung (Hintobichl, Huachhörn, Goschtkö(ü)fl)
-- Bodenvertiefung (Brechllöch, Kolchgruibe, Muargroubm)
-- ebene Fläche (Ebmle, Lonzaläga, Ammabedn)
- reodenbeschaffenheit - Geologie (Sottlleite, Ruatmaure, Stuanelommo)
- Benennung nach Wasser - Hydrologie
-- Wasser selbst (Kol(t)brunn, Wossotroute)
-- Lage am Wasser (Gossa - man sagt ja, dass das Wasser der Löchlocke beim Gasser im Keller aufgehe, deshalb ist die Lage am bzw. im Wasser schnell erklärt :-))
-- Wassergehalt im Boden (Möß, Fö(i)rame(i)so)
- Bewuchs - Flora (z.B. das Rösl, das Tanndl)
- Wildtiere - Fauna (Fuchsruan, Bärnbachl)
- Allgemeine Charakteristik, Lautmalerei (Finschtobrugge, Hiarnwaldile)

Kulturnamen (Benennung deutet auf kulturelle Tätigkeiten der Menschen hin)
- Rodung - Brand (Lerchabrond, Rastlbrandl), Schlag, Moas, Ried, Grait (Mößegrait, Bruggagrait), Schwend
- Nutzland
-- Grünlandwirtschaft (Kirwiese, Grottfeld, Sektmott (Sektmahder))
-- Ackerbau (ausrane Vörocka, Bindackole, Öbozelge)
- Viehzucht
-- im Tal - Weide (Öbowolfsgruiba Wuade, Indorschtwuade), Anger, Troute (pungate Troute, E(i)sltrattile, Likltroute)
-- Almwirtschaft - Alm (Öboalm, Spanglaolbe), Leger (Moarleger, Öboläga), Raste, Pferch (Pfarra)
- Forstwirtschaft - Rise (Ko(ü)flrise, Plottrise), Loach (Loachtroute, Leachl)
- Sondernutzung - Garten (Kraitlagorschtn), Bienenstand (Bienenstond)
- Abgabe- und Lehenverhältnisse (Kirchnwald, Me(i)snagrait)
- Gerichtsbarkeit (z.B. Richtstatt, Galgenbühel)
- Religion (Kreizltroute, Kirchsteig, Freidhefile)
- Wege, Grenzen, Übergänge (Vettonsteig, Wurschzazäune, Wousabriggile, Sottlschorschte, Wiolebocha Jechl)
- Gewerbe (Hellamile, Soggehaisl, Nidsouge, beim Zimmra)
- Ereignisse hinter den Namen - Namesgeschichten (Gruibmplotz, Goldbrindl)

Bischof Augustinus
Bischof Augustinus

Das Südtiroler Landesarchiv

1998 - 2003 Südtirolweite Flurnamensammlung der Universität Innsbruck im Auftrag der Aut. Prov. Bozen - Projektleiterin MMag. Dr. Christina Antenhofer - diese Sammlung war vorallem linguistisch ausgerichtet

seit 2006 sind Frau Mag. Cäcilia Wegscheider aus Montan und Mag. Johannes Ortner aus Meran dabei, die landesweite Flurnamensammlung kartografisch und geografisch aufzuarbeiten


Ihre Hauptaufgaben sind das Namenmaterial

  • zu hierarchisieren (Namen von größerer Relevanz werden von Namen geringerer Relevanz geschieden
  • zu kategorisieren (Bergnamen, Gewässernamen, Räumliche Einheiten, Wegenamen, Gebäudenamen u.a.)
  • mangelhafte Erhebungen zu verbessern (fehlende Erhebungen nachtragen, größere Genauigkeit bei der Vertonung der Namen wird angestrebt)

Bis 31. Dezember 2009 wurden 77 Gemeinden kartografisch bearbeitet bzw. nach erhoben. Die Flurnamensammlung umfasst ca. 105.000 Einzelnamen bei einer abgedeckten Fläche von 4400 qkm (=knapp 60% der Landesfläche).


Wer sind die Nutznießer der Flurnamensammlung?

  • Gemeinden (Tourismusvereine, Heimatpflegevereine, Dorfchronisten)
  • Landesämter (z. B. Abteilung Tourismus; das Amt für Gewässernutzung, Abteilung Landschaftsschutz, Natur und Umwelt, Amt für Naturparke)
  • Öffentliche Körperschaften (Museen)
  • Privatwirtschaft (Kartenverlage und sonstige Verlage, Publizisten, Hoteliers und Touristiker, Skigebiete; Volks- und Heimatkundler)

Ziel des Projektes ist ein öffentlich zugänglicher Flurnamenatlas für Südtirol, der

  • inhaltlich und formal als Anknüpfungspunkt für weitere namenkundliche Studien dienen soll
  • als grundlegendes Referenzwerk für verschiedene Institutionen (Öffentliche Ämter, Kartenverlage, Alpenverein, Tourismusverbände usw.) verwendet wird
  • die Möglichkeit bietet, mit Hilfe des digitalen Namenmaterials ein "Südtiroler Flurnamenbuch" zu schreiben