Tirol?
Wo ist Tirol? - eine Spurensuche zum Jubiläumsjahr 2009
Eine Aktion der Vereine von Oberwielenbach zum Tiroler Gedenkjahr 1809 - 2009
Am Abend des 13. Novembers stellte der Chor diese Arbeit in einer gut besuchten Veranstaltung im Probelokal der Öffentlichkeit vor. Dabei referierten Robert Schwärzer zum Thema "Die Kirchensinger" und Brigitte Mantinger zum Thema "Handschriften". Beide arbeiten im Referat für Volksmusik und katalogisieren im Rahmen ihrer Tätigkeit die Lieder aus Oberwielenbach. Robert Schwärzer, ehrenamtlich auch im Verein für Feldforschung tätig, versucht zusätzlich die noch bekannten, nur mündlich überlieferten Melodien auf Noten zu setzen.
HINWEIS:
In diesem Bericht sollten ein oder mehrere Hörproben des Oberwielenbacher Kirchenchores angeführt werden. Leider stehen sie derzeit aus unvorhergesehenen, technischen Gründen, auf die wir keinen Einfluss haben, nicht zur Verfügung, werden aber sobald als möglich ergänzt.
Die kirchlichen Dienste, die heute Chor und Kantoren leisten, wurden früher im deutschsprachigen Alpenraum üblicherweise durch die "Kirchensinger" verrichtet. In der Regel handelt es sich dabei um den Gesang in deutscher Sprache, was nicht selbstverständlich ist: in der Kirche herrschte bei den Messen lange ausschließlich die lateinische Sprache vor. Das änderte sich erst allmählich. Besonders Luther proklamierte die Verwendung des Deutschen. Obwohl sich die katholische Kirche zunächst dagegen stellte, war der Einzug der deutschen Sprache vor allem für den Kirchengesang schließlich nicht mehr aufzuhalten. Besonders die Jesuiten förderten diesen Gesang und als Folge entstanden in dieser Zeit viele neue Kirchenlieder.
Die einfachen Leute waren zwar in der Lage die Liedtexte aufzuschreiben (Schulpflicht durch Maria Theresa), sie konnten aber keine Noten schreiben. Damit entstanden in der folgende Zeit zwar sehr viele Singbücher, die Melodien dazu wurden aber nur mündlich weitergegeben und dabei meist nur eine Stimme. Die Schreiber waren vorwiegend Männer, wobei auch der Dienst des Kirchensingers lange Zeit den Männern vorbehalten war.
Es entstanden zahlreiche, zum Teil sehr wertvolle Schriften. Die Liedtitel, aber auch teilweise Satzanfänge wurden mit aufwendigen Verzierungen versehen. Mit dem Papier wurde ansonsten aber sehr sparsam umgegangen, Korrekturen wurden einfach darüber geschrieben bzw. Seitenteile wurden sogar überklebt. Manchmal wurde von den Schreibern bei der Überschrift eine Jahreszahl dazugeschrieben, was heute beim Forschen eine große Hilfe darstellt. Die älteste Schrift in Südtirol kann auf das Jahr 1701 datiert werden.
Der Inhalt der Lieder ist sehr vielschichtig, wobei viele Texte heute verständlicherweise nicht mehr zeitgemäß sind: Viele Wortlaute beinhalten Drohungen oder Aufforderungen zu Gehorsam, z.B. gegenüber der Kirche. Es gibt Lieder, die einen zornigen Gott zeigen, aber auf der anderen Seite auch Lieder, die einen liebenden und verzeihenden Gott offenbaren. Auch wurden viele Marienlieder aufgeschrieben, aber z.B. Hochzeitslieder sind eher selten zu finden. Für besondere Anlässe wurden neue Strophen in den Büchern ergänzt. Lateinische Texte kommen selten vor, meist wurden diese verkürzt und nur in Lautschrift aufgeschrieben, z.B. das "Tantum ergo" oder das "Pane linguam".
Die Singbücher enthalten auch Anmerkungen und Kennzeichnungen, wie etwa die Unterstreichung von Textpassagen, wie zu singen ist bzw. was vorgesungen und was nachgesungen wird. Die Interpretation gewisser Vermerke ist aber nicht immer sehr einfach.
In Oberwielenbach findet man den ältesten Beleg für die Vorsänger im Kirchenbuch eingetragen mit dem Jahr 1861.
Der Kirchenchor Oberwielenbach singt zurzeit ca. 35 Lieder, die nur nach Gehör, ohne Noten einstudiert bzw. geprobt werden, darunter auch ganze Messen wie etwa die Weihnachtsmesse. Besonders unter dem Chorleiter Ferdinand Erardi wurden nach 1985 zahlreiche, alt überlieferte Lieder und auch Messen, die fast schon in Vergessenheit geraten waren, ohne vorhandenes Notenmaterial neu eingelernt. So geht die heute noch gesungene Fronleichnams-Messe auf diesen Ursprung zurück.
Bei einem "Offenen Singen" in Bruneck wurde der Veranstaltungsleiter Sepp Oberhöller auf dieses Liedgut aufmerksam und vermittelte den Kontakt zu Robert Schwärzer. Dieser erstellte mehrfach Tonaufnahmen und versucht die Noten der Oberwielenbacher Kirchenlieder auf Papier zu bringen. Damit sollen zumindest die jetzt noch erhaltenen Melodien für die Zukunft gerettet werden.
Zudem trägt der Chor seit 2003 mit Unterstützung des Referats für Volksmusik die Gesangsbücher der Oberwielenbacher Kirchensinger zusammen. Mittlerweile ist der Chor im Besitz von fünf Schriften, wobei der leider in diesem Jahr verstorbene Ortspfarrer Viktor Plaickner vier Bücher im Widum gefunden hatte. Diese fünf Büchern beinhalten insgesamt 647 Liedtexte. Vier davon übersetzte Martha Schneider mit großem Aufwand von der alten Schrift in die heutige Schreibschrift. Anschließend wurden die Texte von Waltraud Gräber und einigen Helfern auf Computer übertragen.
Nachforschungen brachten sechs weitere Bücher aus Oberwielenbach in Innsbruck, Prags, Amaten und Pfunders zum Vorschein. Sie befinden sich heute alle in Privatbesitz. Die Besitzer stellten sie aber dem Referat zum Ablichten und für die Katalogisierung zur Verfügung. Ein Großteil der Arbeit wird jetzt dort geleistet.
Damit sind zurzeit elf Kirchensinger-Schriften aus Oberwielenbach bekannt.
1. Nun merket auf ihr Hochzeitgöst
Bey diesen Freuden Föst
Weil ihr seyt alle insgemein
dazu geladen ein
Zu bitten Gott für diese zwey
Auf dass er allzeit Gnädig sey
Jetz richtet eure Andacht aus
In diesen Gotteshaus.
2. Da wünschen wir nun allzusam
Der Braut und Bräutigam
Viel Glück zu ihren Neuen Stand
Durch dieses Sakrament
Wir wünschen allesamt zugleich
Den Segen Gottes über euch
Zugleich den Frieden ganz durchaus
Das Glück in euren Haus.
3. Wo Friedsamkeit und Treue wohnt
Nicht leicht ein Unglück kommt
Wo der Frieden in den Haus
Treibt alles Unheil aus
Wan Gott bißweil ein Kreuz zuschickt
Gedenkt den ersten Augenblick
Ihr habet es sehr wohl verschuld
Und Tragt es mit Geduld.
4. In Lieb und Freid und auch in Leid
In Wiederwärtigkeit
So wies Gott schicket und verhängt
Durch dieses Sakramment
Er giebt euch schon die Gnad dazue
Das ihr könnt leben in der Rue
Also ihr beyde Brautspersohn
Fangt nur in Gottsnahman.
5. Thuet eure ganze Lebenszeit
Gott recht gehorsamm seyn
Gedenkt er machts auf gleiche Weiß
Alswie in Paridaiß
Er nahn ein Ripp aus seinem Leib
Und machet ihm darauß ein Weib
Dieweil der Mann dass Haupt allein
Sie soll gehorsam seyn.
6. O so lebet in der Lieb
Doch liebet Gott voraus
Dann diese reine Herzenstrieb
Ist s beste Brod im Haus
Alles Winscht euch recht viel Glück
Und alles freudige Geschück
Euch o ihr da verlobtes Baar
Und viele Lebens Jahr.
Amen.